September 25, 2022

werkstätten für behinderte menschen - kritisches hinterfragen muss unsere maxime sein.

Von Benedikt Korkmaz
werkstätten für behinderte menschen - kritisches hinterfragen muss unsere maxime sein.

wir haben einen fehler gemacht!

statt inklusionswerkstätten für behinderte menschen (wfbm) kritisch zu hinterfragen, haben wir im ersten schritt auf die vorherrschende meinung vertraut, und wurden nun eines besseren belehrt.

es ist nie einfach sich fehler einzugestehen, überzeugungen zu hinterfragen und seine perspektive zu ändern. besonders nicht wenn man so lange wie wir überzeugt davon ist, dass es großartig wäre ein gemeinsames projekt mit den inklusionswerkstätten über eure spenden zu finanzieren. aber wir haben unsere idee und haltung fürs erste ad acta gelegt.

die dringlichste kritik wurde von unserem testimonial vivian ausgedrückt. deshalb möchten wir nochmal deutlich machen: wir betonen oft, dass wir uns nicht als expert:innen in jedem bereich sehen. sondern mit testimonials arbeiten, um deren meinung und erfahrung aufzunehmen und mit ihnen, statt über sie zu reden. nach vivian’s appell haben wir uns nun noch einmal näher mit dem thema befasst und wollen auch euch aufklärung verschaffen.

schnell stößt man darauf, dass sich viele expert:innen einig darüber sind:

„die werkstätten für behinderte menschen sind eine großartige erfolgsgeschichte – zu ihrer zeit gewesen. denn sie haben in den 1980er und 1990er jahren dazu beigetragen, einen bis dahin weitgehend ‚unsichtbaren‘ bevölkerungsteil sichtbar zu machen“ (greving & scheibner, 2021).  aber sie tragen heute keinen wertvollen teil zur förderung von inklusion bei – sie sind vielmehr ein hindernis und ort der abtrennung von der mehrheitsgesellschaft.

und hier ist warum:

  1. menschen führen monotone aufgaben aus, sie kriegen keine möglichkeit zu neuen oder weiteren berufsausbildungen, und weiterbildungen.
  1. menschen werden kontinuierlich unterbezahlt. es gibt keinen mindestlohn und der durchschnittsverdienst liegt bei ca. 1,35€. chancen auf ein gleichwertiges berufsleben sind gleich null und die beschäftigten bleiben abhängig von sozialleistungen. 
  1. träger von wfbms vereinen oft arbeitsstätte, wohn- und freizeitort. geschäftsführende und führungspositionen sind fast immer von menschen ohne behinderung besetzt. dadurch entsteht eine hierarchie, die kaum zu überwinden ist.
  1. die vermittlungsquote in den allgemeinen arbeitsmarkt liegt bei 1% - obwohl das ziel der werkstätten die wiedereingliederung in den arbeitsmarkt ist. der trend zeigt dabei deutlich in die falsche richtung, denn die zahl der beschäftigten in wfbms steigt gleichzeitig an.
  1. immer mehr menschen berichten von einschüchterung und der warnung vor fehlender sicherheit und dem verlust sozialer kontakte, anstatt zur normalwirtschaft ermutigt zu werden.
  1. weil wfbms wirtschaftlich sein müssen fehlt der anreiz die besten beschäftigten an den allgemeinen arbeitsmarkt zu vermitteln, denn sie erzielen die größten umsätze.

es wird (hoffentlich) deutlich, dass die inklusionswerkstätten ein gewinnbringendes instrument sein könnten – wenn man sich über sinnvolle reformen gedanken macht und inklusion zu ende denkt. dieser appell richtet sich dabei besonders an die politik, sich die mangelhafte förderung für menschen mit behinderung vor augen zu führen. dabei betont auch andre thiel „wenn die politik inklusion wirklich will, muss sie gerade hier dringend nachbessern“ (richter, 2021).

3 aspekte, die wir mitnehmen:

  • inklusion kann und darf nicht bedeuten menschen scheinheilige möglichkeiten zu geben. möglichkeiten der beschäftigung die es ihnen gar nicht ernsthaft erlauben sich zu integrieren. neben der erregung von aufmerksamkeit haben die werkstätten ihr ziel menschen näher an einen ‚normalen‘ alltag heranzuführen klar verpasst.

  • wir sind dankbar dafür, dass wir wieder einmal daran erinnert wurden, dass ein bestehender status quo nicht das maß aller dinge sein kann. wir müssen uns jeden tag daran erinnern, dass die welt sich entwickelt und wir uns nur für ein besseres morgen stark machen können, wenn wir alte strukturen sinnvoll ergänzen oder aufbrechen und neu formen.

  • und abschließend möchten wir gerne den sammelband „werkstätten für behinderte menschen – sonderwelt und subkultur behindern inklusion“ empfehlen und die Lektüre allen interessierten nahelegen. 

 

was war bisher euer bild von werkstätten für behinderte menschen?

 

quellen:

  • jik. (2021). acht punkte: kritik an werkstätten für behinderte menschen. job inklusive. abgerufen am 25. september 2022, von https://https://jobinklusive.org/2021/09/13/kritik-an-werkstaetten-fuer-behinderte-menschen-acht-punkte/
  • richter. (2021). inklusion - das überholte konzept der werkstätten. deutschlandfunk. abgerufen am 25. september 2022, von https://www.deutschlandfunk.de/das-ueberholte-konzept-der-werkstaetten-100.html
  • greving, h., scheibner, u., hüppe, h., knapp, r., sackarendt, b., thiel, a., windmöller, w. & wolfmayr, f. (2021, 26. mai). werkstätten für behinderte menschen: sonderwelt und subkultur behindern inklusion (1. aufl.). w. kohlhammer gmbh.

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